Das Ungewohnte, in der Öffentlichkeit einen entblößten, fremden Menschen zu sehen, kann beengend sein. Für gewöhnlich schaut man weg, um der Person ihre Privatsphäre zu gewähren und Pietät zu bewahren. Die Person jedoch anzustarren, während sie sich nicht bewegen darf, ist aufs Runtergebrochene eine äußerst seltsame Unternehmung. Ist man aber in der Situation angekommen, hat sich akklimatisiert, so ist diese Erfahrung als Künstler*in unbezahlbar. Man bekommt die Möglichkeit durch das Durchdringen der Privatsphäre anderer in seiner eigenen Leidenschaft Fortschritte zu machen und sich zu entwickeln. Und so wird die Frau zu einem Teil der Kunst. Sobald der Vorhang fällt, wird ihr Körper unser Vorbild, unsere Orientierung und der Schlüssel zur Weiterentwicklung.

Im Rahmen des Kurses „Kreativwerkzeuge“ fand an der Hochschule Macromedia in Köln ein Aktzeichenkurs mit Tänzerin Suza statt. Ihre feinen tänzerischen Bewegungen und kraftvollen Posen zeigen die Vielzahl an Muskeln im menschlichen Körper unter extremen Haltungen. Dadurch hatten die Studierenden einen wundervollen Einblick in Anatomie, aber auch eine einzigartige Erfahrung im Studium. Für die meisten jungen Menschen – mich eingeschlossen – waren diese zwei Stunden nämlich der erste Kontakt zu einem professionellen Aktmodell. Die angespannte Stimmung zu Beginn, die gefüllt war mit Aufregung, Scham und Neugierde, lockerte sich schon innerhalb der ersten halbe Stunde, da das Zeichnen und genaue Beobachten vom eigentlichen Unterfangen ablenkte. Ich bin begeistert vom Aktzeichnen. Noch nie habe ich so viel mitnehmen können wie beim Studieren eines echten menschlichen Körpers unter den vorgegebenen Bedingungen: Unterschiedlich gestellter Timer (2-15min), verschiedene Techniken und neue Materialien. Zum Beispiel hatte ich persönlich noch nie mit Kreide gezeichnet und schon gar nicht vertikal auf einer Tischstaffelei… Dadurch entstanden zwar auch einige weniger gute Zeichnungen, aber die gelungen lassen sich wirklich sehen!
Danke Angèle Kamp auf Unsplash